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Darkroom

Anonyme Liebesspiele in einem Darkroom

Wäre ich in dieser Nacht nicht ganz so betrunken gewesen, hätte ich den abgedunkelten Raum wahrscheinlich überhaupt nicht erst betreten. Warum auch? Jeder, der in Schwulen-Bars oder entsprechende Clubs geht – und das tun in Berlin viele Leute – weiß, dass man als heterosexuelle Frau im Darkroom einer Schwulen-Disco nicht unbedingt erwünscht ist. Es war eine Mischung aus Langeweile und Neugier, die mich in den Raum am Ende der langen Partyröhre trieb. Meine Freunde tanzten alle. Ich hatte keine Lust dazu, genauso wenig, wie allein und betrunken an der Bar zu stehen.

Es blieb also nur der Darkroom. Bildete ich mir jedenfalls ein. Was sollte schon passieren? Ich würde ohnehin rausfliegen, sobald der erste merkte, dass die Lippen, die er küsste, zu weich waren, um einem Mann zu gehören. Der Raum, den ich betrat, war ziemlich klein. Ich hatte meine Hand kaum ausgestreckt, um mich in der vollkommenen Dunkelheit vorwärts zu tasten, als ich schon einen Körper berührte, der sich mir zuwandte.

„Jemand griff nach mir und zog mich zu sich.“

Man muss schon naiv sein oder eben so betrunken, wie ich es damals war, um zu glauben, man könne in diesem Moment cool und entspannt bleiben. Die Finger, die nach mir gegriffen hatten, umfassten meine Schultern und glitten tiefer, um meinen Po zu streicheln. Immer deutlicher spürte ich einen warmen Atem, bis schließlich Lippen meinen Mund berührten. Er muss es sofort gemerkt haben, denn er hielt kurz inne, bevor es zu einem richtigen Kuss kam.

Ich war ganz offensichtlich nicht das, was der Unbekannte erwartet hatte. Trotzdem machte er weiter. Seine Zunge wanderte sanft meine Lippen entlang und hinterließ dort den Geschmack von Gin, während seine Hände meine Pobacken umfassten und mich fest gegen sein Becken drückten. Eigentlich mag ich es nicht, von Unbekannten auf so intime Art berührt zu werden. Schon die Vorstellung ist mir unerträglich. Und dieser Mann war mir so fremd, wie es nur möglich war.

Aber gerade das machte die Situation auf eine erschreckende Art verführerisch. Er hätte alles oder nichts sein können, gut aussehend oder auch nicht, klug oder dumm, es spielte keine Rolle. Was zählte, war nur das Gefühl, das seine Berührungen bei mir hinterließen. Meine Hände begannen – erst zögernd, doch mit der Zeit immer sicherer – seinen Körper zu erkunden. Die starken Unter- und Oberarme, den breiten Rücken, der unter einem Baumwoll-Shirt steckte. Ich ließ meine Finger in seinen Haaransatz gleiten und küsste seinen Hals, wanderte mit meinen Lippen an seiner pulsierenden Halsschlagader entlang. Seine Haut schmeckte salzig. Der warme, schwere Atem streifte mein Ohr. Seine Erregung war nicht nur spürbar. Ich konnte sie auch hören.

Wie weit ich damals tatsächlich gegangen wäre, ob ich es zugelassen hätte, dass seine Hände in meine Jeans gleiten – ich kann es mir nicht vorstellen. Vielleicht hätte er es auch gar nicht versucht. Wir kamen ohnehin nicht so weit, weil sich irgendwann ein dritter Körper in diesem vollkommenen Dunkel an uns drängte. Ich hätte mich ihm zuwenden, vielleicht mit beiden Männern Spaß haben können. Ich entschied mich stattdessen zu gehen.


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